Главная страница «Первого сентября»Главная страница журнала «Немецкий язык»Содержание №4/2009

Wissenschaft und Technik

Das Erbe des Kanonenkönigs

Spurensuche an den Wurzeln der industriellen Revolution: Wissenschaftler erforschen die Urzelle der einst größten Waffenfabrik der Welt.

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Alfred Krupp (1812–1887):
Mit der Erfindung neuer Stahlsorten avancierte er zum «Kanonenkönig». Auch mit zivilen Innovationen wie dem nahtlosen Radreifen für die Eisenbahn erlangte er Weltruhm.

Mit Leuchtweste und Gummistiefeln stapft Detlef Hopp eine zerborstene Treppe hinab. Sie führt zu einer Stahltür. Er stößt sie auf, dahinter gähnt Dunkelheit. Im Schein der Taschenlampe ist ein Bunker zu sehen. «Ruhe bewahren» steht an der Wand und: «Kein lautes Rufen».
Platz für rund 500 Personen hat der Betonkeller dereinst geboten, er liegt auf dem Werksgelände von Krupp. «Drei Minuten blieb den Stahlkochern, um bei Alarm ins Unterirdische zu fliehen», erklärt Hopp, der Stadtarchäologe aus Essen.
Sieben solcher Schutzräume aus dem Zweiten Weltkrieg wurden bislang nachgewiesen. Zudem fand Hopp hundert Jahre alte Gummischürzen, Reste von Öfen und Schmelztiegel. Denn der Wissenschaftler spürt nicht Pharaonen nach, sondern einem Giganten der Schwerindustrie.
Auf rund 600 Hektar erstreckte sich das Krupp’sche Firmenareal in der Phase seiner weitesten Ausdehnung im Jahr 1945. Der Historiker Lothar Gall nennt es einen «Kleinstaat», mit eigener Bibliothek, Turnhallen, Bäckereien, Feuerwehr und einem Krankenhaus.
Schon aus der Ferne war dieser Leviathan zu sehen und zu riechen. Aus einem Wald von Kaminen dampften Rauchwolken, Lokomotiven schleppten Eisenblöcke heran, während aus den Türen der Schmieden roter Feuerschein glomm.
Nirosta und V2A-Stahl wurde hier erfunden. Die Krupps stellten die Metallhaube fürs Chrysler-Building in New York her, sie bauten – für Hitler – die größten Geschütze der Welt und für Jacques Piccard jene Tauchkugel, mit der er fast elf Kilometer tief in den Pazifik hinabglitt.
All das ist Legende. Unklar ist bislang hingegen, wie genau der Aufstieg dieser Industriellendynastie verlief. Was unterschied ihre Werkhallen, die zum Gründungsmythos des Ruhrgebiets gehören, von anderen? Worauf fußte die technische Überlegenheit?
Vor allem Alfred Krupp (1812 bis 1887), der «Kanonenkönig», gab sich verschwiegen. Neue Stahlsorten belegte er aus Angst vor Spionage mit Codenamen. Der Bochumer Historiker Klaus Tenfelde spricht von einer «an Geheimniskrämerei grenzenden Abschirmung gewisser Produktionsstätten».
Die Ausgräber wollen die Rätsel dieses ersten deutschen Mega­konzerns nun aufhellen. Bereits seit 2001 ist das Rheinische Landesbodendenkmalamt vor Ort, bei der Erkundung kamen sogar Flugzeuge mit Kameras zum Einsatz.
Detlef Hopp vergleicht das Areal mit einem Schutthügel («Tell») aus dem Zweistromland. Immer wieder seien alte Hallen eingerissen und auf höherem Niveau überbaut worden: «Wir stießen auf ein Gewimmel an Grundmauern.»
Besonders die letzten Monate waren spannend. Exakt dort, wo sich einst die Urzelle des Unternehmens befand, baut die ThyssenKrupp AG derzeit ein neues Hauptquartier. Für den Zweck musste das Erdreich zehn Meter tief enttrümmert werden.
Ergebnis: Die Bagger stießen auf verrostete Radreifen und Deckel von Gussformen. Sie legten altertümliche Pfannen und Stützsäulen frei. Das schwerste Fundstück war ein Riesenamboss («Schabotte»). Er wiegt 26 Tonnen.

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Krupp-Kanone auf der Pariser Weltausstellung im August 1867: Neuartige Waffen machten deutsche Feldherren anfangs siegreich – und Krupp zum Königsmacher.

Bergen ließ sich kaum etwas. Die Radlader drängelten. Meist blieb nur Zeit für fotogrammmetrische Aufnahmen und Laserscans. Deren Auswertung hat die Hochschule Bochum übernommen. Es ist Forschung an den dunklen Wurzeln der industriellen Revolution.
Angefangen, so viel ist klar, hat alles mit dem Kaufmannssohn Friedrich Krupp. Um 1810 – Goethe hatte gerade den Faust I abgeschlossen – nahm er sich vor, Gussstahl herzustellen.
Nur wie? Die Formel, Roheisen so mit Kohlenstoff anzureichern, dass dabei Stahl entsteht, der sich in Formen gießen lässt, kannten seinerzeit nur die Engländer. Und sie hielten das Rezept streng geheim.
1819 errichtete der Pionier eine kleine Ziegelfabrik mit acht Schmelzöfen. Mehr Alchemist als Metallurge wollte er die Stahlformel knacken – und verschleuderte dabei das Familienvermögen. Immer wieder kam es zu Fehlgüssen.
Von Geldsorgen geplagt, zog der Chef in das Aufseherhaus neben der Fabrik um. In einer Windmühle mahlte er Korn für den Eigenbedarf – die Archäologen fanden den Mühlstein. Mit 39 Jahren war seine Kraft erschöpft. Er starb an «Brustwassersucht»; einige Historiker vermuten als Todesursache Gram.
Sohn Alfred, beim Tod des Vaters erst 14 Jahre alt, balancierte den Betrieb mit seinen sieben Mitarbeitern hart an der Pleite entlang. Weil Großaufträge ausblieben, stellte er Löffel und Gabeln her.
Gleichzeitig führte er die Versuche des Vaters weiter. Er standardisierte das Verfahren, indem er penibel das Erhitzen des Roheisens und die Schmelzzeit im Tiegel kontrollierte. Robotern gleich rührten seine «Puddler» Sauerstoff in den glühenden Metallbrei und schöpften hernach die Schlacke ab.
So entstand schließlich Spitzenqualität, Krupp wurde zum Meister des Erzes – und verkündete ein neues Weltzeitalter: die «Stahlzeit».
Entsprechend rasch ging es nach der Revolution von 1848 wirtschaftlich voran. Die Firma lieferte Schiffsschrauben und Achsen für Raddampfer. Größter Kunde wurde die Eisenbahn, für die der Betrieb nahtlose Stahlreifen goss, die auf die Räder der Lokomotiven gezogen wurden. Das machte ihm weltweit keiner nach. Bald fuhren sogar die Dampfrösser in den USA beim legendären «Go west» mit den patentierten Radreifen von der Ruhr.
Krupps Unternehmen prosperierte. 1852 hatte es 250 Angestellte, fünf Jahre später waren es schon über tausend.

Fortsetzung folgt

Der Text ist entnommen aus: http://www.spiegel.de

 

zerbersten: растрескаться, разорваться, лопнуть
gähnen: зевать, зиять (напр., о пропасти)
der Schmelztiegel: плавильный тигель
die Kramerei: поиски; возня
enttrümmern: очищать (улицы) от развалин [от обломков]
der Amboss: наковальня
anreichern: обогащать, насыщать
die Brustwassersucht: гидроторакс
penibel: трудный, кропотливый; педантичный, точный, аккуратный
patentieren: патентовать; выдавать [регистрировать] патент (на что-л.)
prosperieren: процветать, благоденствовать