Главная страница «Первого сентября»Главная страница журнала «Немецкий язык»Содержание №5/2009

Literatur

Klaus Schlesinger
Leben im Winter

Fortsetzung aus Nr. 03, 04/2009

Zuerst die bläulich zuckenden Flämmchen, dann ein aufwärtsstrebendes Gelb und das Gesicht seines Vaters, wie er es nie gekannt hatte, bewegt und fast heiter, die aufmerksamen Gesten am Tisch im Café, und die Frau, die Augen der Frau, amüsiert und neugierig, ihre langsam sich spreizende Hand auf der weißen Decke, die kurze Berührung, die Stille am Tisch – und das Lachen der Verlegenheit, als er neben ihm stand: Hast du mich erschreckt! So plötzlich!
Beherrschter Blick dann und: Das ist mein Sohn. Die Geste der Vorstellung inmitten einer prasselnden roten Glut.
– Junge, träumst du!?
Er hockte vor dem Ofen und bewegte sich nicht.
Er sah seinen Vater über den Schreibtisch gebeugt, dann essend am großen Tisch im Erkerzimmer, es ist Sonntag, es ist still; die freundlich bemühten Handreichungen seiner Mutter und ihr unbefangener Blick, jetzt möchte er sprechen, holt Luft und räuspert sich, sein Vater hebt den Kopf und sieht ihn an – sein kauender Mund, die leicht zusammengezogenen Brauen.
– Robert, träumst du, das brennt ja noch alles aus.
Marthas verweisende Stimme über dem Dröhnen des Staubsaugers.
Er schloß die Augen und sah eine rote, schwimmende Wand.
– Wo der Junge nur immer mit seinen Gedanken ist! rief Martha. Wie soll einer da fertig werden.
Etwas drehte sich in seinem Körper. Er schwitzte und dachte: Weg hier! und sah Wallas Straße und sah sich über das Pflaster rennen, und er rannte und rannte.
– Aber Mama, sagte Helga und fuhr mit der Staubsaugerdüse zwischen die Ritzen der Polstersessel. Wir haben doch noch Zeit.
– Komm, laß mich mal, sagte Martha ganz dicht neben seinem Ohr.
Er spürte den Druck ihrer Hand auf seiner Schulter. Er stand auf und ging in sein Zimmer:
– Jetzt ist er auch noch beleidigt, sagte Martha und warf Briketts auf das schwarzglühende Holz.
– Was ist denn, fragte Helga.
– Dein Herr Sohn ist beleidigt, sagte Martha so laut, daß es durch die Wand hindurch zu hören sein mußte.
– Sei doch nicht so ungeduldig, sagte Helga. Im Grunde ist er noch ein Kind.
– Ach du meine Güte, rief Martha, dann kuck dir mal seine Bettlaken an. Ein Kind!
– Mama, sagte Helga, rot im Gesicht, und drehte sich mit dem Staubsauger zum Fenster.
– Ich weiß nicht, wie das heute ist, sagte Martha betont laut, aber bei uns zu Hause haben meine Eltern immer drauf geachtet, daß die Jungs beim Schlafen die Hände überm Deckbett haben. Schon von klein auf. Damit sie sich daran gewöhnen!
Sie stocherte mit dem Feuerhaken im Ofenloch. Die Funken stoben im Zugwind, Glutkörner fielen auf das Blech vor ihren Füßen, und als Helga nicht antwortete, rief sie: Wer muß denn das alles waschen!
Helga richtete sich auf und sagte so ruhig und beherrscht sie konnte: Mama, jetzt wirst du unsachlich. Du hast es doch selbst angeboten.
– Was heißt unsachlich, sagte Martha. Man wird doch noch seine Meinung sagen dürfen.
– Ein Wort von dir, sagte Helga, und wir teilen uns wieder die Wäsche – wenn es dir zuviel wird.
– Was heißt hier zuviel, sagte Martha. Darum geht es doch nicht. Kannst du mir erklären, wie du das schaffen willst mit deiner Arbeit? Was meinst du, was der Junge einsaut.
– Dann bring ich sie eben weg, sagte Helga. Alle bringen die Wäsche weg.
– Na, ich nicht. Ich nicht, rief Martha. Kuck dir mal an, wie sie hinterher aussieht. Nee, du.
Marthas Schultern zitterten.
– Mama, sagte Helga, wir wollen uns doch heute nicht streiten.
Martha biß sich auf die Lippen.
– Ausgerechnet heute, sagte Helga und versuchte zu lächeln.
– Es ist einfach zuviel, sagte Martha. Ich hab nicht mal den Kuchen im Ofen. Und in Werners Zimmer ist auch noch nicht geheizt.
Helga lächelte nicht mehr.
– Wozu auch, sagte sie.
– Mädchen, sagte Martha, so habe ichs doch nicht gemeint.
Helga antwortete nicht.
– Du bist aber auch empfindlich, sagte Martha.
In das Dröhnen des Staubsaugers drang Roberts Stimme.
– Was ist? rief Helga.
– Es hat geklopft.
– Dann mach auf, rief Helga.
– Ich zieh mich grad an! rief Robert.
– Das wird Thea sein und die Kinder, sagte Martha und lief zur Tür.
– Die kommen doch nie vor zwei, sagte Helga.
Martha war schon im Korridor. Sie strich sich im Laufen über das Haar und rief: Moment mal!

Fortsetzung folgt

Aus: Klaus Schlesinger: Leben im Winter.
Hinstorff, Rostock 1989. S. 6–17

Der Abdruck folgt dem Original von 1989 und entspricht damit nicht den heute gültigen Rechtschreibregelungen.

be|herrscht <Adj.>: in sich gefestigt, gezügelt: eine -e Miene zeigen; b. sprechen, auftreten.

pras|seln <sw. V.> [zu mhd. brasteln, Iterativ-Intensiv-Bildung zu mhd. brasten, ahd. braston = krachen, dröhnen, verw. mit bersten]: 1. (von Mengen) längere Zeit mit einem dumpfen, klopfenden od. trommelnden Geräusch sehr schnell hintereinander aufprallen <hat/ist>: der Regen prasselt [auf das Dach]; Ü prasselnder Applaus. 2. (im Zusammenhang mit und als Folge der Hitze bei einem Feuer) knackende Geräusche von sich geben <hat>: die Holzscheite prasselten; im Kamin prasselte ein Feuer.

un|be|fan|gen <Adj.>: 1. nicht befangen, sondern frei u. ungehemmt: ein -es Kind; u. erscheinen, wirken; u. lachen. 2. nicht in etw. befangen; unvoreingenommen: -e Leserinnen u. Leser; ein -er (Rechtsspr.; unparteiischer) Zeuge; einem Menschen u. gegen­übertreten.

dröh|nen <sw. V.; hat> [aus dem Niederd. < mniederd. drönen = mit Erschütterung lärmen, lautm.]: 1. a) durchdringend laut u. dumpf tönen, hallen: die Glocken, Motoren dröhnen; seine Stimme dröhnt aus dem, durch den Lautsprecher; der Lärm dröhnte ihnen in den Ohren; dröhnendes Gelächter; b) von lautem, vibrierendem [dumpfem] Hall erfüllt sein: der Saal dröhnte [von tosendem Beifall]; die Erde dröhnte unter den Hufen; Ü mein Kopf dröhnt (ich habe heftige Kopfschmerzen). 2. (nordd.) eintönig über belanglose Dinge sprechen. 3. (Jargon) a) Rauschgift nehmen;
b) jmdn. in einen Rauschzustand versetzen: er nahm alles, was dröhnte.

sto|chern <sw. V.; hat> [Iterativbildung zu veraltet stochen, mniederd. stoken = schüren, eigtl. = stoßen, stechen, wohl zu stoßen]: mit einem [stangenförmigen, spitzen] Gegenstand, Gerät wiederholt in etw. stechen: mit dem Feuerhaken in der Glut s.; sich mit einem Streichholz [nach Speiseresten] in den Zähnen s.; lustlos [mit der Gabel] im Essen s.

ein|sau|en <sw. V.; hat> (salopp): stark beschmutzen: die Tischdecke e.; das Auto hat mich völlig eingesaut (mit Dreck bespritzt).