Главная страница «Первого сентября»Главная страница журнала «Немецкий язык»Содержание №7/2009

Literatur

Klaus Schlesinger
Leben im Winter

Fortsetzung aus Nr. 03, 04, 05, 06/2009

– Nein, sagte Anna. Laß ihr man Zeit.
Jetzt sah er Martha und Anna als Fotografie vor dem Rathaus in Schweidnitz.
– Martha war immer fester als du, sagte er.
– Martha ist eben älter, sagte Anna und senkte den Kopf. Er biß sich vor Ärger auf die Lippen.
– Gib doch was her, sagte Anna und griff nach dem kleinen Koffer.
– Das fehlt noch. Daß du mir die Sachen trägst.
Er wich ihr aus und sah sie von der Seite an und überlegte, wie er sie treffen könnte.
Er sagte: Ist dir nich kalt?
– Och, sagte Anna. Das geht schon.
– Siehste, das mein ich. Du nimmst immer alles hin, sagte er laut und gereizt und wartete, daß sie antwortete, aber als sie nichts sagte und nur neben ihm herlief, schrie er sie an, mitten auf der Straße und vor allen Leuten und so lange, bis er hörte, daß sie weinte und die Vorstellung ihrer Tränen seinen Zorn hinwegschwemmte.
Er räusperte sich und sagte versöhnlich: Na, nu komm, Anneken. Is ja gut.
Dann war er ganz ruhig und sah alles klar und sagte: Martha wird nicht wolln.
Anna hob den Kopf und zog den Rotz hoch und sagte: Willst du denn wirklich?
Er sagte: Darauf kommts nicht an, ob ich will oder nicht. Schließlich ist es mein Recht.
Jetzt stand er an der Ecke, wo früher Aschinger gewesen war.
– Oder etwa nicht? sagte er laut.
– Natürlich, sagte Anna, es ist dein Recht.
Seine Hände waren klamm, seine Füße spürte er schon nicht mehr. Nur hin und wieder sickerte Sonne durch den grauen Himmel, und als er vor Marthas Tür stand, kam es ihm vor, als sei sein Körper ein einziger Eisklumpen, nicht einmal sein Herz schlug schneller.
– Nanu, Albert? sagte Martha und stand einen Moment bewegungslos in der offenen Tür. Dann zog sie ihn in den Korridor, küßte seine Wange und half ihm aus dem Mantel.
Noch während sie ihn durch den Korridor schob, gratulierte er und gab ihr das Päckchen mit dem Geschenk. Die Tür zu Werners Zimmer war geschlossen.
– Du starrst ja vor Kälte, sagte sie und drückte ihn in den Sessel, der im Erkerzimmer stand, gleich neben dem bullernden Ofen.
– Nu pack’ doch mal aus, sagte er.
Helga stand mitten im Zimmer und wickel­te die Schnur des Staubsaugers über ihren angewinkelten Arm.
– Na, Onkel Albert, ist das Leben noch frisch? sagte sie.
– Du bist mir einer, sagte Martha, eine Mischung von Rührung und Vorwurf in den Augen. So viel hättest du aber wirklich nicht ausgeben brauchen.
In der linken Hand hielt sie die Sammeltasse, in der rechten die Schachtel mit den Pralinen.
Helga trug den Staubsauger hinaus. Martha stellte die Geschenke auf die Anrichte neben der Tür. Er hörte Helgas Schritte und wie eine Tür geöffnet wurde; er glaubte, es sei die von Werners Zimmer gewesen.
Er fragte verdutzt: Ist Werner auch hier?, und als Martha, die mit dem Rücken zu ihm stand, nicht antwortete, rief er, laut und nachdrücklich: Was ist denn nu mit Werner!
Martha drehte sich um, ihr Gesicht war ganz streng, und sie machte eine ärgerliche Bewegung mit dem Kopf, und erst als er Helgas weiche und fülliger gewordene Gestalt hinter der halboffenen Zimmertür hantieren sah, verstand er halbwegs, was Martha meinte, und er schwieg erschrocken und senkte den Kopf und blickte auf den hellen, feingewirkten Teppich, auf dem sich eine Spur grauer Schatten von der Tür bis zu seinem Sitz zog. Er spürte, daß ihn jemand ansah und hob die Augen und traf Helgas vorwurfsvollen Blick.
Er sah wieder hinunter und bemerkte erst jetzt den glasig grauen Schneematsch im Profil seiner Schuhe.
– Du meine Güte, rief Martha.
– Wir bürsten es aus, wenn es trocken ist, sagte Helga.
– Albert, sagte Martha mit strenger Stimme. Jetzt zieh mal die Pantoffeln von dem Jungen an.
Er schloß die Augen, ließ sich widerstandslos die Schuhe von den Füßen ziehn und nahm sich vor, bis zum Essen kein Wort mehr zu reden.

[...]

Aus: Klaus Schlesinger: Leben im Winter.
Hinstorff, Rostock 1989. S. 6–17

Der Abdruck folgt dem Original von 1989 und entspricht damit nicht den heute gültigen Rechtschreibregelungen.

Är|ger, der; -s [zu ärgern]: 1. bewusstes, von starker Unlust u. [aggressiver] innerer Auflehnung geprägtes [erregtes] Erleben [vermeintlicher] persönlicher Beeinträchtigung, bes. dadurch, dass etw. nicht ungeschehen zu machen, nicht zu ändern ist; Aufgebrachtsein, heftige Unzufriedenheit, [heftiger] Unmut, Unwille, [heftige] Verstimmung, Missstimmung: ohnmächtiger Ä. über jmdn., etw.; ihr Ä. verflog; Ä. empfinden; seinen Ä. an jmdm. od. etw. auslassen; seinen Ä. unterdrücken, herunterschlucken; Ä. [bei jmdm., mit etw.] erregen; seinem Ä. Luft machen; etw. aus Ä. tun; in Ä. geraten; du warst außer dir vor Ä.; (ugs.:) grün und gelb/schwarz vor Ä. werden; zu meinem großen Ä. kam sie nicht. 2. ärgerliches Erlebnis od. Gesamtheit ärgerlicher Erlebnisse; Verdruss, Unannehmlichkeit[en], Schererei[en]: geschäftlicher, beruflicher, häuslicher Ä.; der tägliche Ä. im Beruf, mit den Kunden; viel Ä. [mit jmdm., etw., wegen einer Sache] haben; es gibt Ä.!; sich Ä. ersparen; macht doch keinen Ä.!; lass das, sonst bekommst/kriegst du Ä.!

aus|wei|chen <st. V.; ist>: 1. a) aus der Bahn eines anderen gehen [und Platz machen]: der Fahrer wich [dem Auto, der Fußgängerin] geschickt, in letzter Sekunde aus; [nach] rechts, nach der/zur Seite a.; b) vor etw. zur Seite weichen, zu entgehen versuchen: einem Schlag, einem Angriff blitzschnell a.; er konnte dem Stein nicht mehr a.; c) aus dem Weg gehen; jmdn., etw. meiden: jmdm. [auf der Straße] a.; einer Frage, jmds. Blicken a.; sie wich [höflich] aus (ging auf Fragen nicht ein); ausweichende Antworten geben. 2. a) (gezwungenermaßen od. aus guten Gründen) etw. anderes wählen: auf eine andere Möglichkeit a.; b) (Sport) eine andere als in der Spielanlage vorgesehene Position einnehmen: der Mittelstürmer wich immer wieder auf die Flügel aus.

hin|neh|men <st. V.; hat>: 1. ohne eine Gefühlsregung o. Ä. auf-, annehmen, obgleich man eine entsprechende Reaktion erwarten könnte: eine Beleidigung einfach h.; etw. als Tatsache, als unabänderlich h.; eine Niederlage h. müssen (nichts dagegen tun können); etw. nicht länger h. 2. (selten) in Anspruch nehmen, fesseln: hingenommen (gebannt) lauschen; von den Ereignissen völlig hingenommen sein. 3. (ugs.) an einen bestimmten Ort mitnehmen: den Hund [zu jmdm.] mit h.

klamm <Adj.>: 1. [noch] leicht feucht [u. daher auch unangenehm kühl]: -e Wäsche; die Betten waren k. von Kälte. 2. durch Kälte steif, in der Beweglichkeit beeinträchtigt: -e Finger haben; k. vor Kälte sein. 3. (salopp) [eine gewisse Zeit lang] über kein od. nur wenig Geld verfügend: die finanziell -e Firma; ich bin im Moment ziemlich k.