Главная страница «Первого сентября»Главная страница журнала «Немецкий язык»Содержание №7/2010

Literatur

Alice Schwarzer
Warum gerade sie? Weibliche Rebellen

Fortsetzung aus Nr. 03, 04, 05, 06/2010

Nina Hagen
Sängerin

Schwarzer: Ich hab das gestern sehr gemocht in deinem Konzert, wie du eben nicht den Star machst; was Besonderes leistest, dich aber deswegen noch lange nicht für was Besonderes hältst.
Hagen: Weil ich immer wieder versuche, mich da oben genauso locker zu fühlen, wie die da unten, und merkwürdige Bewegungen mache und komisch tanze. Denn ick will ja kein Star sein, nichts Besonderes. Ick bin nun mal so ’ne ganz lustige Blume und kann nun mal singen. Aber ansonsten will ich, daß wir das gleiche Gefühl haben, das gleiche dufte Gefühl vom Leben. Deswegen laß ich mich zum Schluß auch runterfallen ins Publikum, oder ich gehe runter. Wenn sie dicht stehen, dann kann ich mich ja fallen lassen. Dann wird ja wohl nichts passieren.
Schwarzer: Reagieren eigentlich Männer und Frauen gleich auf deine Auftritte?
Hagen: Also bei den Männern ist natürlich erst mal schocking, weil ich so viele Faxen mache und Sachen verscheißere, die die sonst todernst nehmen. Also ihre Anmache zum Beispiel.
Schwarzer: ... die müßten doch Aggressionen kriegen...
Hagen: Eigentlich ja. Aber ich mach es ja wie im Hollywoodfilm. Ich mach sie nach, aber sehr gut. Ich mach so das Mannweib, daß denen die Spucke wegbleibt. Und dann öffne ich mich ja auch gleichzeitig wieder, knall ihnen mein Herz auf’n Tisch und mach Grimassen... Also ich weiß auch nicht, wie ich das hinkriege. Ich müßt’s mal selbst sehen, um’s zu begreifen.
Schwarzer: Was macht dir selbst auf der Bühne eigentlich am meisten Spaß?
Hagen: Die Imitationen. Die anderen Lieder sind mehr dazu da, um mal abzurotten, ein bißchen was rauszuschreien. Aber wenn ich jemand nachmache, Timi Yuro zum Beispiel, dann macht’s mir Spaß, die staunenden Gesichter da unten zu sehen, daß ich das kann. Da bin ich für die der Clown. Die können sich auch ruhig über mich lustig machen. So lustig machen, wie sie sich auch über sich selbst lustig machen sollen, wie ich mich auch über mich lustig mache.
Schwarzer: Wenn du in deinen Liedern von Sexualität sprichst, dann klingt das sehr offensiv. Lebst du das auch so?
Hagen: Ich hab mal ’ne Freundin gehabt, mit der bin ich mir darüber klargeworden, welche körperlichen Empfindungen man als Frau eigentlich haben kann, und daß man da beim Mann unheimlich zurückstecken muß und sich nicht traut, was zu sagen. Das ist auch bei mir jahrelang so gelaufen. Bis ich mir dann eines Tages gesagt hab: Entweder es ändert sich jetzt was, oder ich brauch keinen Mann mehr! Dann hat sich eben was geändert.
[...]
Schwarzer: Ich mag es sehr an deinen Liedern, daß sie voller Phantasie, Witz und auch Lebensfreude sind. Gerade das scheint mir das Politische an deiner Arbeit. Denn das Übel ist ja, daß man den Menschen die Lebensfreude austreibt und es ihnen unmöglich macht, sie selbst zu sein. Deine wenigen Lieder aber, die explizit agitatorisch sind, die haben immer feministische Inhalte.
Hagen: Na klar. Da sind ja auch meine speziellen Probleme, meine Erfahrungen.
Schwarzer: Hast du auch direkte Kontakte zur Frauenbewegung? Und was hältst du überhaupt davon?
Hagen: Ich sehne mich unheimlich danach, mehr Freundinnen zu haben. Wenn wir spielen und da sind Frauen, dann ist es toll, wie wir uns nach dem Konzert umarmen. Neulich, als wir im Quartier Latin gespielt haben, da flatterten da immer zwei Lesben rum, so richtig schön dick und rund. Die fühlten sich einfach frei, das war ein Volksfest für die. Und ein andermal, auch im Quartier, saß meine Freundin Ariane unten. Bei der zweiten Zugabe hatte sie keine Lust mehr, unten zu hocken und ist hochgekommen, hat getanzt und gesungen, ist auch mal hingeflogen, hat sich das Mikrofon gegriffen und ist über die Bühne gesegelt. Da hab ich gedacht, wenn eine oben ist, können auch mehr hoch kommen. Es kamen auch ganz viele Mädchen, die hab ich alle hochgezogen. Zum Schluß war die ganze Bühne voll. Das fand ich schon sehr gut. Aber zur Frauenbewegung direkt hab ich wenig Kontakt. Ich hab eher Kontakt zu denen, die in unsere Konzerte kommen. Mit denen verbrüdern und verschwestern wir uns.

Fortsetzung folgt

Aus: Alice Schwarzer: Warum gerade sie?
Weibliche Rebellen. 15 Begegnungen
mit berühmten Frauen. Frankfurt am Main:
Luchterband Literaturverlag, 1989. S. 183–190, 219–230.

 

Der Abdruck folgt dem Original von 1989 und entspricht damit nicht den heute gültigen Rechtschreibregelungen.

lo|cker <Adj.> [spätmhd. locker, zu mhd. lücke, lugge = locker]: 1. a) nicht [mehr] fest sitzend, mit etw. verbunden: ein -er, l. sitzender Zahn; die Schraube ist l. geworden, sitzt l.; Ü der Revolver sitzt ihm l. (er ist schnell bereit, den Revolver zu ziehen); das Geld sitzt ihr l. (sie gibt viel Geld aus); b) nicht dicht [sodass Zwischenräume bleiben]; durchlässig; nicht fest gefügt: -er Boden; l. stricken, häkeln; c) nicht straff [gespannt], nicht starr; nicht fest: eine lockere Haltung; sich in -er Ordnung aufstellen; die Zügel l. lassen; l. (unverkrampft) laufen; eine l. gebundene Krawatte; Ü eine -e (nicht enge) Beziehung; Vorschriften l. handhaben; es geht hier immer [sehr] l. (ugs.; zwanglos, leger) zu; sie macht das ganz l. (leger, lässig). 2. sich nicht an moralische, gesellschaftliche Vorschriften gebunden fühlend u. leichtfertig in seiner Art zu leben, sich zu benehmen od. von einer entsprechenden Haltung zeugend: ein -es Mundwerk; ein -er Lebenswandel.

Fa|xe, die; -, -n [gek. aus mundartl. Fickesfackes = alberne Späße, Unsinn]: 1. <meist Pl.> possenhafte, spaßige Grimasse, Bewegung, die belustigen soll: sie lachten über die -n, die der Clown machte. 2. <Pl.> Dummheiten, Albernheiten, Unfug, dummes Zeug: mach ja keine -n! (salopp; mach keine Ausflüchte, keine Schwierigkeiten, leiste keinen Widerstand!); *die -n dick, dicke haben (salopp; genug haben, mit seiner Geduld am Ende sein).

Spu|cke, die; - [zu spucken] (ugs.): Speichel: die Briefmarke mit [etwas] S. anfeuchten; *jmdm. bleibt die S. weg (ugs.; jmd. ist vor Überraschung, vor Staunen sprachlos).

hin|krie|gen <sw. V.; hat> (ugs.): 1. [mit Geschick] zustande bringen, fertigbringen: das Projekt ist fertig, das haben wir gut hingekriegt; ich kriege keine gerade Naht hin (kann sie nicht nähen). 2. in Ordnung bringen: das kriegen wir wieder hin; Ü jmdn. wieder h. (ärztlich heilen; gesund pflegen).

of|fen|siv <Adj.> [zu lat. offensum, 2. Part. von: offendere = anstoßen, verletzen]: a) angreifend, den Angriff bevorzugend: -e Kriegführung; mit -er Taktik vorgehen; b) (Sport) im Spiel den Angriff, das Stürmen bevorzugend: o. spielen.

ex|pli|zit <Adj.> [lat. explicitus = ohne Schwierigkeiten auszuführen; klar, adj. 2. Part. von: explicare, explizieren] (Fachspr., bildungsspr.): 1. ausdrücklich, deutlich: diese Aussage ist e. im Text enthalten; implizite Regeln e. machen (sie zu erkennen geben, ausformulieren). 2. (bezüglich der Darstellung, Erklärung) ausführlich u. differenziert: etw. e. darstellen.