Главная страница «Первого сентября»Главная страница журнала «Немецкий язык»Содержание №7/2010

Hauslektüre im Deutschunterricht

Didaktisierungsvorschlag zum Buch «Momo» von Michael Ende

Erstellt von Dr. Dana Bartosch, Ruth-Ulrike Deutschmann, Natalia Koslowa

Fortsetzung aus Nr. 01, 02, 03, 04, 05, 07, 08, 09, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18/2009, 1, 2, 3, 4, 5/2010

Lesetext
Achtzehntes Kapitel

Wenn man voraussieht ohne zurückzuschauen

Momo wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war. Die Turmuhr schlug manchmal, aber Momo hörte es kaum. Nur sehr langsam kehrte die Wärme in ihre erstarrten Glieder zurück. Sie fühlte sich wie gelähmt und konnte keinen Entschluss fassen.
Sollte sie nach Hause gehen ins alte Amphitheater und sich schlafen legen? Jetzt, nachdem alle Hoffnung für sie und ihre Freunde ein für allemal dahin war? Denn nun wusste sie ja, dass es nie wieder gut werden würde, nie wieder ...
Dazu kam die Angst um Kassiopeia. Was, wenn die grauen Herren sie tatsächlich finden würden? Momo begann sich bittere Vorwürfe zu machen, dass sie die Schildkröte überhaupt erwähnt hatte. Aber sie war so benommen gewesen, dass sie gar nicht dazu gekommen war, sich all das zu überlegen.
«Und vielleicht», versuchte Momo sich zu trösten, «ist Kassiopeia schon längst wieder bei Meister Hora. Ja, hoffentlich sucht sie nicht mehr nach mir. Es wäre ein Glück für sie – und für mich...»
In diesem Augenblick berührte etwas sie zart an ihrem nackten Fuß. Momo erschrak und beugte sich langsam hinunter.
Vor ihr saß die Schildkröte! Und in der Dunkelheit leuchteten langsam die Buchstaben auf: «DA BIN ICH WIEDER.»
Ohne sich zu besinnen packte Momo sie und steckte sie unter ihre Jacke. Dann richtete sie sich auf und horchte und spähte in die Dunkelheit ringsum, denn sie fürchtete, die grauen Herren könnten noch in der Nähe sein.
Aber alles blieb still.
Kassiopeia strampelte heftig unter der Jacke und versuchte sich zu befreien. Momo hielt sie fest an sich gedrückt, guckte aber zu ihr hinein und flüsterte: «Bitte, halt dich ruhig!»
«WAS SOLL DER UNFUG?», stand leuchtend auf dem Panzer.
«Man darf dich nicht sehen!», raunte Momo.
Jetzt erschienen auf dem Rücken der Schildkröte die Worte: «FREUST DICH WOHL GAR NICHT?»
«Doch», sagte Momo und schluchzte fast, «doch Kassiopeia und wie!» Und sie küsste sie mehrmals auf die Nase.
Die Buchstaben auf dem Panzer der Schildkröte erröteten sichtlich, als sie antwortete: «MUSS DOCH SEHR BITTEN!»
Momo lächelte.
«Hast du mich denn die ganze lange Zeit gesucht?»
«FREILICH.»
«Und wieso hast du mich ausgerechnet jetzt und ausgerechnet hier gefunden?»
«WUSSTE ES VORHER», war die Antwort.
Also hatte die Schildkröte offenbar all die Zeit davor nach Momo gesucht, obgleich sie wusste, dass sie sie nicht finden würde? Dann hätte sie ja eigentlich gar nicht zu suchen brauchen? Das war wieder so eines von Kassiopeias Rätseln, bei dem einem der Verstand stillstand, wenn man zu lange darüber nachdachte. Aber jetzt war jedenfalls nicht der geeignete Augenblick, über diese Frage zu grübeln.
Flüsternd berichtete Momo nun der Schildkröte, was inzwischen geschehen war.
«Was sollen wir jetzt tun?», fragte sie zuletzt.
Kassiopeia hatte aufmerksam zugehört. Nun erschienen auf ihrem Panzer die Worte: «WIR GEHEN ZU HORA.»
«Jetzt?», rief Momo ganz entsetzt. «Aber sie suchen dich überall! Nur gerade hier sind sie nicht. Ist es nicht gescheiter hier zu bleiben?»
Aber auf der Schildkröte stand nur: «ICH WEISS, WIR GEHEN.»
«Dann», sagte Momo, «werden wir ihnen geradewegs in die Arme laufen.»
«WIR BEGEGNEN KEINEM», war Kassiopeias Antwort. Nun, wenn sie das so sicher wusste, dann konnte man sich freilich darauf verlassen. Momo setzte Kassiopeia auf den Boden. Aber dann dachte sie an den langen mühevollen Weg, den sie damals gegangen waren und plötzlich fühlte sie, dass ihre Kräfte dazu nicht mehr ausreichen würden.
«Geh allein, Kassiopeia», sagte sie leise, «ich kann nicht mehr. Geh allein und grüß Meister Hora schön von mir.»
«ES IST GANZ NAH!», stand auf Kassiopeias Rücken.
Momo las es und schaute sich erstaunt um. Nach und nach dämmerte ihr, dass dies der armselige und wie ausgestorben wirkende Stadtteil war, von dem aus sie damals in jene andere Gegend mit den weißen Häusern und dem seltsamen Licht gelangt waren. Wenn es so war, dann konnte sie es vielleicht tatsächlich noch bis zur Niemals-Gasse und zum Nirgend-Haus schaffen.
«Gut», sagte Momo, «ich geh mit dir. Aber könnte ich dich nicht vielleicht tragen, damit es schneller geht?»
«LEIDER NEIN», war auf Kassiopeias Rücken zu lesen.
«Warum musst du denn unbedingt selbst krabbeln?», fragte Momo. Darauf erschien die rätselhafte Antwort: «DER WEG IST IN MIR.»
Damit setzte sich die Schildkröte in Bewegung und Momo folgte ihr, langsam und Schrittchen für Schrittchen.

Kaum waren das Mädchen und die Schildkröte in einer der einmündenden Gassen verschwunden, als es rund um den Platz in den finsteren Schatten der Häuser lebendig wurde. Ein knisterndes Rascheln ging über den Platz hin wie tonloses Kichern. Es waren die grauen Herren, die die ganze Szene belauscht hatten. Ein Teil von ihnen war zurückgeblieben, um heimlich das Mädchen zu beobachten. Sie hatten lange warten müssen, aber dass dieses Warten einen solchen unverhofften Erfolg zeitigen würde, hatten sie selbst nicht geahnt.
«Da gehen sie!», flüsterte eine aschengraue Stimme. «Sollen wir zupacken?»
«Natürlich nicht», raunte eine andere. «Wir lassen sie laufen.»
«Wieso?», fragte die erste Stimme. «Wir müssen doch die Schildkröte fangen. Um jeden Preis, hieß es.»
«Stimmt. Und wozu brauchen wir sie?»
«Damit sie uns zu Hora führt.»
«Eben. Und genau das tut sie jetzt. Und wir brauchen sie nicht einmal dazu zu zwingen. Sie tut es freiwillig – wenn auch nicht absichtlich.»
Wieder wehte tonloses Kichern durch die finsteren Schatten rund um den Platz.
«Geben Sie sofort Nachricht an alle Agenten in der Stadt. Die Suche kann abgebrochen werden. Alle sollen sich uns anschließen. Aber höchste Vorsicht, meine Herren! Keiner von uns darf sich ihnen in den Weg stellen. Man soll ihnen überall freie Bahn geben. Sie dürfen keinem von uns begegnen. Und nun, meine Herren, lassen Sie uns in aller Ruhe unseren beiden ahnungslosen Führern folgen!»

Und so kam es, dass Momo und Kassiopeia tatsächlich keinem einzigen ihrer Verfolger begegneten. Denn wohin auch immer sie ihre Schritte wandten, die Verfolger wichen aus und verschwanden rechtzeitig, um sich hinter dem Mädchen und der Schildkröte ihren Genossen anzuschließen. Eine größer und größer werdende Prozession von grauen Herren, immer durch Mauern und Häuserecken verborgen, folgte lautlos dem Weg der beiden Fliehenden. –
Momo war so müde wie noch nie in ihrem ganzen Leben zuvor. Manchmal glaubte sie, dass sie im nächsten Augenblick einfach hinfallen und einschlafen würde. Aber dann zwang sie sich noch zum nächsten Schritt und wieder zum nächsten. Und dann wurde es für ein kleines Weilchen wieder ein wenig besser.
Wenn nur die Schildkröte nicht so schrecklich langsam gekrabbelt wäre! Aber daran war ja nun nichts zu ändern. Momo schaute nicht mehr nach links und nach rechts, sondern nur noch auf ihre eigenen Füße und auf Kassiopeia.
Nach einer Ewigkeit, wie es ihr vorkam, bemerkte sie, dass die Straße unter ihren Füßen plötzlich heller wurde. Momo hob ihre Augenlider, die ihr schwer wie Blei zu sein schienen und blickte umher.
Ja, sie waren endlich in den Stadtteil gelangt, in dem jenes Licht herrschte, das nicht Morgen- noch Abenddämmerung war und wo alle Schatten in verschiedene Richtungen fielen. Blendend weiß und unnahbar standen die Häuser mit den schwarzen Fenstern. Und dort war auch wieder jenes seltsame Denkmal, das nichts darstellte als ein riesengroßes Ei auf einem schwarzen Steinquader.
Momo schöpfte Mut, denn nun konnte es nicht mehr allzu lange dauern, bis sie bei Meister Hora sein würden.
«Bitte», sagte sie zu Kassiopeia, «können wir nicht ein bisschen schneller gehen?»
«JE LANGSAMER, DESTO SCHNELLER», war die Antwort der Schildkröte.
Sie krabbelte weiter, eher noch langsamer als vorher. Und Momo bemerkte – wie schon beim vorigen Mal –, dass sie hier gerade dadurch schneller vorwärts kamen. Es war geradezu, als glitte die Straße unter ihnen dahin, immer schneller, je langsamer sie beide gingen.
Denn dies war das Geheimnis jenes weißen Stadtteils: Je langsamer man voranschritt, desto schneller kam man vom Fleck. Und je mehr man sich beeilte, desto langsamer kam man voran. Das hatten die grauen Herren damals, als sie Momo mit den drei Autos verfolgten, nicht gewusst. So war Momo ihnen entkommen.
Damals!
Aber jetzt war die Sache anders. Denn jetzt wollten sie das Mädchen und die Schildkröte ja gar nicht einholen. Jetzt folgten sie den beiden genauso langsam, wie diese gingen. Und so entdeckten sie nun auch dieses Geheimnis. Langsam füllten sich die weißen Straßen hinter den beiden mit dem Heer der grauen Herren. Und da diese nun wussten, wie man sich hier bewegen musste, gingen sie sogar noch etwas langsamer als die Schildkröte und dadurch holten sie auf und kamen näher und näher heran. Es war wie ein umgekehrter Wettlauf, ein Wettlauf der Langsamkeit.
Kreuz und quer ging der Weg durch diese Traumstraßen, immer tiefer und tiefer hinein ins Innere des weißen Stadtteils. Dann war die Ecke der Niemals-Gasse erreicht.
Kassiopeia war schon eingebogen und lief auf das Nirgend-Haus zu. Momo erinnerte sich, dass sie in dieser Gasse nicht hatte weiter kommen können, bis sie sich umgedreht hatte und rückwärts gegangen war. Und deshalb tat sie es jetzt wieder.
Und nun blieb ihr fast das Herz stehen vor Schreck.
Wie eine graue, wandernde Mauer kamen die Zeit-Diebe heran, einer neben dem anderen, die ganze Straßenbreite ausfüllend und Reihe hinter Reihe, so weit man sehen konnte.
Momo schrie auf, aber sie konnte ihre eigene Stimme nicht hören. Sie lief rückwärts in die Niemals-Gasse hinein und starrte mit aufgerissenen Augen auf das nachfolgende Heer der grauen Herren.
Aber nun geschah abermals etwas Seltsames: Als die ersten der Verfolger in die Niemals-Gasse einzudringen versuchten, lösten sie sich buchstäblich vor Momos Augen in Nichts auf. Zuerst verschwanden ihre vorgestreckten Hände, dann die Beine und Körper und schließlich auch die Gesichter, auf denen ein überraschter und entsetzter Ausdruck lag.
Aber nicht nur Momo hatte diesen Vorgang beobachtet, sondern natürlich auch die anderen nachdrängenden grauen Herren. Die ersten stemmten sich gegen die Masse der Nachfolgenden und für einen Augenblick entstand eine Art Handgemenge unter ihnen. Momo sah ihre zornigen Gesichter und ihre drohend geschüttelten Fäuste. Aber keiner wagte es, ihr weiter zu folgen.
Dann hatte Momo endlich das Nirgend-Haus erreicht. Die große schwere Tür aus grünem Metall öffnete sich. Momo stürzte hinein, rannte durch den Gang mit den steinernen Figuren, öffnete die ganz kleine Tür am anderen Ende, schlüpfte hindurch, lief durch den Saal mit den unzähligen Uhren auf das kleine Zimmerchen in der Mitte der Standuhren zu, warf sich auf das zierliche Sofa und versteckte ihr Gesicht unter einem Kissen, um nichts mehr zu sehen und zu hören.

(Aus: Michael Ende: Momo. K. Thienemanns
Verlag, Stuttgart 2002)

Fortsetzung folgt

 

Didaktisierungsvorschlag

Leseverstehen – globales Lesen

1. Fassen Sie so kurz wie möglich den Inhalt des 18. Kapitels zusammen.

 

Kontrolle Leseverstehen – selektives Lesen

2. Ist das richtig [R] oder falsch [F]? Kreuzen Sie an.

 

R

F

1. Als Momo erwachte, wusste sie nicht, wie viel Zeit vergangen war.

 

 

2. Sie hatte gar keine Angst um Kassiopeia, da diese sicher schon längst wieder bei Meister Hora war.

 

 

3. Als Momo an Kassiopeia dachte, berührte sie etwas zart an ihrem nackten Fuß. Das war Meister Horas Schildkröte.

 

 

4. Momo war sehr froh, Kassiopeia wiederzusehen. Sie sprang sogar vor Freude.

 

 

5. Momo berichtete der Schildkröte alles, was inzwischen geschehen war, und die beiden machten sich auf den Weg zu Meister Hora.

 

 

6. Momo trug die Schildkröte unter dem Arm, damit es ein bisschen schneller ging.

 

 

7. Die grauen Herren haben den Entschluss gefasst, die Schildkröte zu fangen.

 

 

8. Das ganze Heer der grauen Herren folgte Momo und der Schildkröte.

 

 

9. Der weiße Stadtteil hatte ein Geheimnis: Je langsamer man voranschritt, desto schneller kam man vom Fleck.

 

 

10. Die grauen Herren haben dieses Geheimnis auch entdeckt.

 

 

11. Als Momo die grauen Herren sah, hatte sie gar keine Angst vor ihnen. Bei Meister Hora fühlte sie sich geborgen.

 

 

12. Als aber die grauen Herren Momo weiterfolgen wollten und in die Niemals-Gasse einzudringen versuchten, lösten sie sich buchstäblich vor Momos Augen in Nichts auf.

 

 

13. Nachdem Momo endlich das Nirgend-Haus erreicht hatte, schlief sie sofort ein.

 

 

 

Reflexion, Interpretation

3. Warum lösen sich Ihrer Meinung nach die grauen Herren, die Zeit-Diebe, am Eingang der Niemals-Gasse auf?

4. In dem seltsamen Stadtteil, wo Meister Hora lebt, befindet sich ein seltsames Denkmal, «das nichts darstellt als ein riesengroßes Ei auf einem schwarzen Steinquader». Was kann dieses Denkmal bedeuten?

 

Sprechen

5. Stellen Sie sich vor, Sie sind Kunstkenner und machen eine Führung für Touristen. Erklären Sie Ihren Zuhörern das Kunstwerk:

Riesengroßes Ei auf schwarzem Steinquader

 

Wortschatz

6. Markieren Sie die Wörter aus der Wortliste im Text und überprüfen Sie, ob Sie deren Bedeutung kennen. Wenn Sie ein Wort nicht kennen, schauen Sie im Wörterbuch nach und notieren Sie die Bedeutung.

7. Übersetzen Sie die Sätze ggf. ins Russische.

8. Bilden Sie Beispielsätze mit den Wörtern der Wortliste.

9. Momo zeigt in Kapitel 17 und 18 alle Empfindungen von Angst hin zu Mut und Zuversicht und wieder zu Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung.
Schreiben Sie einen Monolog, in dem alle diese Empfindungen vorkommen. Verwenden Sie den Lernwortschatz, z. B.:
Ich konnte es nicht länger hinausschieben. Ich muss jetzt mutig einen Entschluss fassen...

 

Lernwortschatz

  1. den Entschluss fassen
  2. jmdn./etw. erwähnen
  3. gescheit
  4. armselig
  5. etw. belauschen
  6. absichtlich
  7. sich jmdm. in den Weg stellen
  8. jmdm. freie Bahn geben
  9. gelangen in (Akk.)
  10. jmdn. einholen
  11. es wagen, etw. zu tun

Fortsetzung folgt